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Der Strukturbildung fehlgefalteter Proteine auf der Spur

- Geht die Aggregation mit einer inneren Umorganisation einher?

Proteine, wesentliche Bestandteile jedes Lebewesens, geben den Forschern weltweit seit Jahrzehnten Rätsel auf. Die Funktion dieser langkettigen Biomoleküle wird durch deren räumliche Anordnung bestimmt. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einer Faltung des Proteins in eine bestimmte dreidimensionale Struktur. Richtig gefaltet kann das Protein die spezifische biologische Funktion in unserem Körper übernehmen. Ein Beispiel hierfür ist die Steuerung des Zellwachstums.
Geht bei der Faltung jedoch etwas schief - man spricht hier von einer Fehlfaltung der Proteine - können toxische Stoffe entstehen, die zu Krankheiten, wie Alzheimer und Diabetes führen. Über Zwischenstufen kommt es dabei zu einer schrittweisen Aneinanderlagerung (Aggregation) der fehlgefalteten Proteine, hin zu den sogenannten reifen Fibrillen. Diese besitzen die Form langgestreckter Stäbchen, die aus gewundenen, reissverschlussartig miteinander verbundenen Bändern aufgebaut sind.

Holger Scheidt, aus der Gruppe von Daniel Huster an der Universität Leipzig und seinen Kollegen gelang es nun erstmals eine größere Übereinstimmung der inneren dreidimensionalen Struktur der beiden Zwischenstufen zu finden. Reife Fibrillen hingegen zeigen eine veränderte räumliche Anordnung [Scheidt2012]. Untersucht wurde dabei speziell das Protein Amyloid-beta (1-40) mittels hochauflösender Kernspinresonanz (NMR)-Spektroskopie im Rahmen des SFB-Projektes A06.

Schematische Darstellung der Entstehung einer reifen Fibrille. Die einzelnen Proteine sind durch die wichtigsten Strukturelemente, den beta-Strängen (graue Pfeile) und den Seitenketten (gelbe und orange Kugeln), gekennzeichnet. Eine strukturelle Umordnung ist durch die Drehung der beta-Stränge erkennbar (nach [Sandberg2010]).

Schematische Darstellung der Entstehung einer reifen Fibrille. Die einzelnen Proteine sind durch die wichtigsten Strukturelemente, den beta-Strängen (graue Pfeile) und den Seitenketten (gelbe und orange Kugeln), gekennzeichnet. Eine strukturelle Umordnung ist durch die Drehung der beta-Stränge erkennbar (nach [Sandberg2010]).

Schematische Darstellung der Entstehung einer reifen Fibrille. Die einzelnen Proteine sind durch die wichtigsten Strukturelemente, den beta-Strängen (graue Pfeile) und den Seitenketten (gelbe und orange Kugeln), gekennzeichnet. Eine strukturelle Umordnung ist durch die Drehung der beta-Stränge erkennbar (nach [Sandberg2010]).

Die Ergebnisse stützen ein erst vor kurzem vorgeschlagenes Modell zur Fibrillenbildung, welches eine größere strukturelle Umordnung erst beim Übergang von der letzten Vorstufe (Protofibrille) zur reifen Fibrille vorhersagt [Sandberg2010].

Schrittweise Aggregation zur reifen Fibrille

Überraschenderweise bilden sich Fibrillen mit sehr ähnlicher Struktur aus den unterschiedlichsten Proteinen. Unabhängig von ihrem Aufbau, der Sequenz der Aminosäuren, können die Proteine sowohl eine stabile funktionsfähige, als auch eine toxische Form annehmen. Letztere aggregieren dann und bilden die verschiedenen Vorstufen der reifen Fibrille. Die Vorstufen unterscheiden sich in den (sekundären) Strukturen innerhalb des Proteins, deren räumliche Anordnung zueinander und deren Wechselwirkung miteinander.

Der Weg vom einzelnen fehlgefalteten Protein bis zur letztendlich reifen Fibrille wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Zuerst werden die entstehenden Aggregate als Oligomere bezeichnet. Mit fortschreitendem Wachstum bilden sich sogenannte Protofibrillen, die nach dem äußeren Erscheinungsbild schon größere Ähnlichkeiten mit den reifen Fibrillen aufweisen. Der innere Aufbau und die Anordnung der Strukturelemente zeigt jedoch größere Gemeinsamkeiten mit den Oligomeren. Über die dreidimensionale Struktur, speziell der von H. Scheidt untersuchten letzten Vorstufe - den Protofibrillen, war bisher nur wenig bekannt.

Abstandsmessungen mittels NMR

Für die Untersuchung der strukturellen Anordnung innerhalb der Protofibrille wurde eine Abstandsmessung mittels NMR unter Zuhilfenahme von 13C-markierten Aminosäuren durchgeführt. Dadurch konnten erstmals Ähnlichkeiten in der inneren dreidimensionalen Struktur der Protofibrillen mit der vorherigen Stufe, den Oligomeren, nachgewiesen werden.

Schematische Darstellung der unterschiedlichen Strukturen eines Proteins als 
Bestandteil eines Oligomers und einer reifen Fibrille. Die untersuchten 
Seitenketten sind durch gelbe Kugeln gezeigt. Diese haben im Oligomer einen 
geringeren Abstand zueinander, als in der reifen Fibrille. Wesentliche 
Strukturelemente (beta-Stränge) sind durch graue Pfeile gekennzeichnet (nach 
[Scheidt2012]).

Schematische Darstellung der unterschiedlichen Strukturen eines Proteins als Bestandteil eines Oligomers und einer reifen Fibrille. Die untersuchten Seitenketten sind durch gelbe Kugeln gezeigt. Diese haben im Oligomer einen geringeren Abstand zueinander, als in der reifen Fibrille. Wesentliche Strukturelemente (beta-Stränge) sind durch graue Pfeile gekennzeichnet (nach [Scheidt2012]).

Schematische Darstellung der unterschiedlichen Strukturen eines Proteins als
Bestandteil eines Oligomers und einer reifen Fibrille. Die untersuchten
Seitenketten sind durch gelbe Kugeln gezeigt. Diese haben im Oligomer einen
geringeren Abstand zueinander, als in der reifen Fibrille. Wesentliche
Strukturelemente (beta-Stränge) sind durch graue Pfeile gekennzeichnet (nach
[Scheidt2012]).

Die NMR-Nachbarschaftssignale der Seitenketten zweier ausgewählter Aminosäuren (Glu-22 und Ile-31) konnten nur in den Protofibrillen und nicht in den reifen Fibrillen gefunden werden. Über die gefundenen Korrelationen kann auf einen geringen Abstand (6-7 Angström) geschlossen werden. In vorangegangenen Untersuchungen an Oligomeren konnten diese geringen Abstände ebenfalls nachgewiesen werden.

Strukturelle Umordnung erst ganz zum Schluss

Aufgrund der Ähnlichkeiten in der dreidimensionalen Struktur der Zwischenstufen muss somit eine größere innere strukturelle Umordnung beim Übergang von der letzten Vorstufe - der Protofibrille - zur reifen Fibrille auftreten. Damit unterstützen die NMR-Untersuchungen von Scheidt und Kollegen ein aktuelles Modell zur Bildung von reifen Amyloid-beta Fibrillen nach [Sandberg2010].

Die Ergebnisse wurden im Journal of Biological Chemistry    veröffentlicht.

Über den Autor

Thomas Michael ist wissenschaftlicher Koordinator am SFB/TRR 102.

Die Pdf-Version des Textes finden Sie hier.
fehlgefaltete_proteine_2012.pdf (113 KB)  vom 28.10.2013

Weiterführende Literatur

[Scheidt2012]

H. A. Scheidt, I. Morgado, and D. Huster. Solid-state NMR Reveals a Close Structural Relationship between Amyloid- β Protofibrils and Oligomers. J. Biol. Chem. vol. 287, pp. 22822- 22826 (2012)

[Tycko2006]

R. Tycko. Molecular structure of amyloid fibrils: insights from solid-state NMR. Quart. Rev. Biophys. vol. 39, pp. 1 (2006)

[Sandberg2010]

A. Sandberg,L. M. Luheshi, S. Söllvander et al. Stabilization of neurotoxic Alzheimer amyloid-β oligomers by protein engineering. Proc. Natl. Acad. Sci U.S.A. vol. 107, pp. 15595- 15600 (2010)

[Dobson2003]

C. Dobson. Protein folding and misfolding. Nature vol. 426, pp. 884-890 (2003)

[Meinhardt2009]

J. Meinhardt and M. Fändrich. Struktur von Amyloidfibrillen. Pathologe vol. 30, pp. 175-181 (2009)

[Saalwächter2010]

K. Saalwächter and D. Reichert: Magnetic Resonance: Polymer Applications of NMR. In: Encyclopedia of Spectroscopy & Spectrometry, 2nd edition, vol. 3, pp. 2221-2236. Editors: J. Lindon, G. Tranter, D. Koppenaal. Elsevier, Oxford 2010.

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